150 Jahre Straßenbahn in Berlin
Der erste Berliner Pferde-Omnibus fuhr 1825, betrieben durch den Fuhrunternehmer Simon Kremser. Damit begann in Berlin der öffentliche Nahverkehr. Der Begriff Kremser ist heute noch bekannt als ein Kutschentyp und bezeichnet einen gefederten Planwagen mit Sitzbänken auf beiden Seiten quer zur Fahrtrichtung.
Auf der Straße trugen jedoch die Straßenbahnen bald den größten Teil der Last. Sie fuhren in Berlin ab 1865 – also vor 150 Jahren – erst als Pferdestraßenbahn, später elektrisch. Elektrisch, das war bereits 1881 der Fall. Und nahm seinen Anfang nicht in Berlin sondern in Groß-Lichterfelde, das erst 39 Jahre später zu Berlin gehören sollte. Es war die erste elektrische Straßenbahn der Welt!
1881 baute die Firma Siemens die erste regulär verkehrende elektrische Straßenbahn der Welt, vom Bahnhof Groß-Lichterfelde der Anhalter Bahn (heute Lichterfelde-Ost) zur preußischen Hauptkadettenanstalt, heute das Bundesarchiv in der Finckensteinallee (ab 1933 Standort der Leibstandarte-SS-Adolf Hitler, von 1945 bis 1994 die “Andrew Barracks” der US-Streitkräfte in Berlin, danach Bundesarchiv).
2,4 km, Fahrzeit etwa 20 Minuten, Fahrpreis 20 Pfennige, mehr als der damals übliche durchschnittliche Stundenlohn!
Die Trasse war ursprünglich die der Materialtransportbahn zum Bau der Kadettenanstalt, welche 1878 fertiggestellt wurde. Siemens erwarb die ungenutzte Trasse, baute sie um und eröffnete 1881 die Straßenbahn. Im Gegensatz zu heute gab es keinen Stromabnehmer auf dem Dach, die Gleichstromversorgung mit einer Spannung von 180 Volt erfolgte über die beiden Schienen als Hin- und Rückleiter. Die Wagen waren umgebaute Pferdestraßenbahnwagen: Holzräder mit Eisenkränzen und Schleifkontakten zum Motor.
Da die Spurweite 1000 mm betrug, kam es an Übergängen zu Unfällen mit Pferden, wenn diese mit ihren Hufeisen auf beiden Schienen standen. Erst wurden die Übergänge stromlos umgebaut, 1893 erfolgte der Bau von Oberleitungen.
Auf vielen Bildern aus der Zeit vom ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist auffallend, dass auf den Straßen die ersten motorisierten Fahrzeuge die elektrischen Straßenbahnen waren. Zwischen Kutschen, Pferde-Omnibussen und Pferde-Straßenbahnen (bis 1902), sieht man weder Autos noch LKW. 20 Jahre später herrscht bereits dichter Verkehr in der Innenstadt.
Und beim Streik der Angestellten der Berliner Verkehrsbetriebe 1919 bereits Chaos, doch dominieren immer noch Pferdefuhrwerke das Bild.
Erst in den 30er Jahren hat das Auto die Fuhrwerke verdrängt, wenngleich nicht völlig.
Zum Kriegsende standen mit Steinen aufgefüllte Straßenbahnen als Panzersperren an diversen Berliner Straßen und Kreuzungen.
Der Wiederaufbau erfolgte sogleich, da die Straßenbahn unverzichtbar war. Die BVG in West-Berlin erprobte ab 1952 neue Fahrzeuge, in Ostberlin wurden alte Wagen als Reko-Wagen umgebaut und ertüchtigt und fuhren bis in die 1990er Jahre weiter neben den neu angeschafften Tatra Fahrzeugen aus der CSSR.
In West-Berlin endet die Geschichte der Straßenbahn 1967 mit der Vision der autogerechten Stadt.
So war in dem Teil Berlins, in dem ich später geboren wurde, acht Jahre vor meiner Geburt, das Ende der Straßenbahn gekommen. Dem Auto sollte die Stadt gehören. Die Straßenbahn war weniger flexibel als Busse, erforderte eine eigene Infrastruktur, die aufwändig zu warten war, stellte ein Risiko im Verkehr dar, da sie nicht ausweichen konnte auf den immer voller werdenden Straßen. Die Hauptlast trugen die Straßenbahnfahrzeuge aus der Weimarer Republik, sie galten als veraltet. Ich kannte Straßenbahnen nur von den Geschichten meiner Eltern und aus alten Filmen. In Ostberlin gab es Straßenbahnen, aber wann kam man schon mal dort hin…In West-Berlin gab es keine Straßenbahn mehr. Keine? Das ist nicht richtig, es gab wieder eine Straßenbahn, elf Jahre nach ihrem Ende. Der Triebwagen 3344 Baujahr 1927 aus der Museumssammlung der Berliner Verkehrsbetriebe BVG (West) verkehrte ab 1978 auf der stillgelegten Hochbahntrasse zwischen den Bahnhöfen Nollendorfplatz und Bülowstraße. In beiden Bahnhöfe waren Antik- und Flohmärtke entstanden. Für 1 DM konnte man so in West-Berlin doch noch eine Station Straßenbahn fahren! 1991 war es dann damit auch vorbei, die Hochbahn wurde wieder in Betrieb genommen, die historischen U-Bahn-Wagen in den Bahnhöfen, die als Verkaufsräume dienten, wurden verschrottet, die Straßenbahn kam wieder in die Museumssammlung zurück, im vereinten Berlin konnte wieder problemlos Straßenbahn gefahren werden, allerdings nur im Ostteil des vereinten Berlins. Inzwischen sind einige Linien in den Westteil der Stadt verlängert worden, sogar der Hauptbahnhof hat seit Dezember einen Straßenbahnanschluss, aber so richtig zurückkehren wird die Straßenbahn wohl nicht mehr in den ehemaligen Westteil.
In Lichterfelde-Ost erinnert ein kleines Denkmal in Form eines Haltestellenmasts mit Fahrplan und zwei Schienen an die erste elektrische Straßenbahnlinie der Welt. Errichtet 1981, 100 Jahre nach ihrer ersten Fahrt zu einer Zeit, als West-Berlin längst straßenbahnfrei war, erweitert 2006 zu ihrem 125 jährigen Jubiläum.
Mit diesem Stück Gleis und einem Haltestellenmast wird an die erste elektrische Straßenbahn der Welt erinnert. Foto Volkmar Kommoß, 2014.