Marinekult
Für Jungen aus gutbürgerlichem Haus scheint Ende des 19. Jahrhunderts, so lassen die vielen Knabenporträts dieser Zeit vermuten, der Matrosenanzug zum obligatorischen Kleidungsstück geworden zu sein. Unschwer erkennbar am V-förmigen Ausschnitt, der mit einem Latz geschlossen wurde, ist der charakteristisch eckige Kragen der Matrosenbluse. Häufig wurde um den mit drei Streifen geschmückten Kragen [1] ein auf der Brust verknotetes Halstuch gebunden. Auch Mädchen trugen das sich am männlichen Vorbild orientierende Pendant: Matrosenblusen, blaue Faltenröcke oder Kleider im selben Stil. Auf dem Band der Matrosenmütze war in der Regel der Name des Schiffes wie etwa SMS „Vineta“ (1897) zu lesen.
Mit dem 1846 vom Maler Franz Xaver Winterhalter angefertigten Porträt des fünfjährigen Prinzen von Wales (König Eduard VII) in Marine Uniform erhält der Matrosenanzug Einzug in die Kindermode. Anfangs vor allem den britischen Adelskreisen vorbehalten, erfreut er sich ab den 1860er Jahren auch in der übrigen Bevölkerung großer Beliebtheit und taucht fortan in unterschiedlichsten Varianten auf. Nach der Schenkung eines solchen Anzuges von Königin Victoria an ihren Enkel Wilhelm (Wilhelm II) begeisterte dieser neue Trend auch die Deutschen.
Unter Kaiser Wilhelm II, der von der Seefahrt begeistert war, und mit der Aufrüstung der deutschen Flotte, sowie der Entstehung einer wachsenden Rüstungsindustrie, gewann auch die maritime Mode an Bedeutung. Die Begeisterung des Volkes für die Kaiserliche Marine zeigt sich in der Alltäglichkeit dieses modischen Trends, der den militärischen Grundgedanken in den Hintergrund rücken lässt.
Fußnoten:
- [1] 1857 erhielt der Matrosenkragen der Royal Navy erstmals seine bekannten drei weißen Streifen, die, so heißt es, auf die drei siegreichen Seeschlachten des Admiral Nelson zurückzuführen sind.