Von der Käuflichkeit der Kunst
Ich kann den Kuss von Klimt nicht mehr sehen und zeige deshalb nur einen erträglicheren Ausschnitt dieses Bestsellers. Wie um mich zu ärgern und unsere Buchhaltung zu erfreuen, verfolgt mich dieses Motiv auf Buchtiteln, in Kalendern, auf Kaffeetassen und weiteren möglichen und auch unmöglichen Gegenständen.Wurden wir alle zu wenig geküsst oder was ist das Geheimnis dieser unglaublichen Popularität?
Es gibt doch noch andere schöne Frauen, vor allem die leicht bekleideten von Schiele, die ich hier aber nicht zeigen werde, weil man mir sonst schwülstige Altmännerphantasien unterstellen wird. Stattdessen ein anderes Gemälde von Schiele. Mime van Osen. Ein echter Hipster aus dem Jahre 1910, doch keiner will ihn haben.
An manchen Frauen kommt man einfach nicht vorbei, weil sie Ikonen sind, wie die Mona Lisa oder Marilyn Monroe. Andere faszinieren fast mehr, weil sie noch nicht so oft publiziert worden sind und ihr Geheimnis bewahrt haben, wie die Dame mit dem Hermelin von Leonardo.
Und manchmal gibt es das eine Foto, das einen wirklich berührt, wie das Hunza Mädchen aus Kaschmir, das an einer Rose riecht. Die Aufnahme ist 40 Jahre alt. Was aus dem Mädchen wohl geworden ist?
Gut verkäuflich sind immer Personen der Geschichte. Leicht zu finden über den Namen, sofern es sich nicht um schwer zu transkribierende Russen handelt. Der einzige Nachteil ist, dass das nächste Sisi oder auch Sissi Jahr erst wieder 2037 stattfinden wird.
Bis dahin muss man selbst aktiv werden und den Kunden individuell betreuen. Es reicht eben doch nicht 10, 20, 30 Millionen oder auch gleich alle Bilder zu haben. Ich finde diese Bilderflut eher bedrohlich. Meistens schafft es dann aber doch die wirklich gute Aufnahme aufs Cover – im Idealfall im Dialog mit dem Buchtitelgestalter.
Zu unseren verborgenen Schätzen gehört unsere umfangreiche Sammlung privater Fotoalben von Berliner Flohmärkten. Fast scheut man sich, im Leben fremder Menschen zu blättern und fragt sich, was passiert sein muss, dass die Bilder eines Lebens auf dem Trödel gelandet sind.
Man findet dort viele Amateuraufnahmen, die erstaunlich modern komponiert sind.
Andere Schnappschüsse erinnern in ihrer Ästhetik fast schon an Handyfotos.
So sehr verändert haben wir uns in den vergangenen 100 Jahren also nicht. Doch auch von uns wird nichts bleiben, außer unserem Abbild – sofern wir die Daten richtig gesichert haben und es noch Geräte gibt, um diese zu lesen.