Vom kleinen Glück im Grünen
Die starken mit der Industrialisierung und Urbanisierung einhergehenden Veränderungen haben einen direkten Einfluss auf die Lebensbedingungen vieler Menschen. Schlechte Wohnverhältnisse und Mangelernährung wirkten sich massiv auf die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung aus.
Um diesem Elend in den städtischen Ballungsräumen entgegenzuwirken entstehen erste, auf unterschiedlichen Ansätzen begründete Initiativen einer Gartenbewegung.
Eine der Ursprungsformen [um 1820] sind die sogenannten ›Armengärten‹. Sie waren ein Versuch des Landgraf Carl von Hessen, durch die Verpachtung von Ackerland an Unterprivilegierte, dem Hunger und der Verarmung der wachsenden Bevölkerung Holsteins entgegenzuwirken. Auch die Berliner Laubenkolonisten verfolgten gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen ganz ähnlichen Ansatz. Im Vordergrund der Arbeitergärten des Roten Kreuzes stand vor allem die Volksgesundheit. Die Arbeit an der frischen Luft sollte die Gesundheit fördern [Prävention gegen Tuberkulose], den Familienzusammenhalt stärken und der Erholung vom stressigen Alltag dienen. Die auf den Namen des Mediziners und Pädagogen Daniel Gottlob Moritz Schreber [1808 – 1861] zurückgehenden Schrebergärten wurden erst nach seinem Tod vom Leipziger Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild gegründet. Der Verein berief sich anfänglich vielmehr auf Erzielung von Gesundheit durch körperliche Ertüchtigung und Erziehungsfragen als auf die des Gärtnerns. 1921 schließen sich diese wie andere zahlreiche Gruppierungen zum ›Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands‹ dem Vorläufer des heutigen ›Bundesverband Deutscher Gartenfreunde‹ zusammen.
Ein Album mit Amateuraufnahmen des Sommers 1929. Fotografien des Potsdamer Platzes, des Schöneberger Gasometers und Tempelhofer Flugfeldes reihen sich neben Bildern von Familie und Freunden bei der Gartenarbeit, geselligen Runden vor der Laube und Nahaufnahmen der ersten eigenen Ernte. Von der bevorstehenden Weltwirtschaftskrise ist noch nichts zu spüren.
Die kleinen, quadratischen Schnappschussaufnahmen, vorwiegend in schwarzweiß, einige liebevoll nachträglich per Hand koloriert und mit einem Datum versehen, erzählen von der ›neuen‹ Parallelität des Großstadtlebens und dem ›kleinen Glück im Grünen‹. Ob es sich um Berlins erste, 1929 eröffnete Dauerkolonie Rehberge handelt lässt sich nicht eindeutig feststellen.
Heute gibt es in Berlin zirka 70.000 Kleingärten, 900.000 in ganz Deutschland. Der Bedarf wächst. Fast 20.000 Interessenten stehen auf den Wartelisten für eine freie Parzelle. Gerade jetzt zwischen Homeoffice, Homeschooling und Ausgangsbeschränkungen sehnen sich viele nach der Idylle der Natur und der Möglichkeit in den eigenen Garten auszuweichen.