In steter Erinnerung – historische Fotoalben
Während ich durch die Alben blättere und die Fotos darin betrachte, die wohl nie für fremde Augen wie meine bestimmt waren, versuche ich, sie zu lesen und die dort erzählten Geschichten zu rekonstruieren. Fotoalben sind visuelle Zeugnisse vergangener Zeiten, historische Dokumente. In ihrer Mischung aus Bildern, Texten und Objekten fügen sie sich zu rudimentären Biografien zusammen. Trotz ihrer Individualität findet sich in den Alben viel Typisches von der Zeit Geprägtes, wie die wiederkehrenden Posen und Haltungen, die Studiodekorationen, die immer gleichen familiären Anlässe zum Besuch der Fotoateliers. Allein aus Größe, Anordnung und Beschriftung späterer Knipserfotos lassen sich die Wichtigkeit der Personen und Ereignisse erahnen. Vom prachtvollen bürgerlichen Repräsentationsobjekt bis zur individuell collagierten Dokumentation eines ›lebensgeschichtlichen Entwurfs‹ erlebt das Album vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an über die Jahrzehnte einen Wandel innerhalb der Gesellschaft, bis es schließlich gegen Ende des 20. Jahrhunderts ganz an Aufmerksamkeit verliert.
So halten die Alben nicht nur die Geschichten einzelner Menschen oder ganzer Familien fest, sondern bilden in ihrer Gesamtheit auch eine fotografische Kulturgeschichte. Vor allem im Kontext des neuen Forschungsfeldes ›Visual History‹ gewinnen Fotoalben zunehmend an Bedeutung als historische Quelle. Faszinierend ist nicht zuletzt auch die einzigartige Kreativität und Kunstfertigkeit der Gestaltung dieser Alben.
Trotz der Emotionalität mit der sie einmal angelegt wurden und der besonderen Rolle, die sie in Familiengeschichten spielten, sind sie zu Waisen geworden, in Vergessenheit geraten und über Umwege schließlich in den Regalen von akg-images gelandet, um von hier aus erneut um Aufmerksamkeit zu werben.