Das Gruppenfoto.
Familien- und Freundschaftsporträts, wie auch Aufnahmen von Sportvereinen, Schulklassen und Militärs etc. zeigen Konstellation einer Gemeinschaft, deren Zugehörigkeit und Verbundenheit womöglich schon kurz nach der Aufnahme nicht mehr existiert haben mag. Die Fotografie dient der Erinnerung, sie ist Zeugnis der im Moment der Aufnahme entstandenen Gemeinschaft. Die Porträtierten sind hier nicht mehr bloß als Individuen sichtbar, sondern als Teil einer bestimmten sozialen Gruppe.
Die Darstellung von Gruppen in der Fotografie folgt um die Jahrhundertwende konkreten Richtlinien. Der empfohlene Bildaufbau lässt sich in diversen Fotografie-Lehrbüchern der Zeit nachlesen. Die besondere Schwierigkeit eines Gruppenfotos liegt nicht allein darin den richtigen Moment für die Aufnahme abzupas-sen, sondern auch im Einfangen eines „gewissen Zusammenhang zwischen den Figuren“. Die Porträtierten sollten immer in einer Art „Abhängigkeit“ zueinanderstehen. Diese richtet sich nach der Beziehung der Per-sonen zueinander. Ehepaare, Freunde oder Geschwister sind ganz unterschiedlich zueinander zu posieren.
Bei größeren Gruppen wird empfohlen, dass sich die Personen zumindest „[…]in den Grössenverhältnissen einander unterordnen und dadurch der bekannte und in der Kunst viel beschriebene pyramidale Aufbau der Gruppe zu stande kommt“[1]. H. W. Vogel spricht in seinem ‚Lehrbuch der Photographie‘ (1878) davon, dass der pyramidale Aufbau stets „ungezwungen erscheinen muss“[2] und die Unterteilung in jeweils kleinere Untergruppierungen der Übersicht dienen solle. Es geht dabei nicht allein um die geometrische Anordnung und das Finden eines Mittelpunktes im Bild, sondern auch und vor allem, um die Ausrichtung des Blicks der einzelnen Personen zur Mitte der Gruppe.
Der Großteil der in Alben zu findenden Familien- und Geschwisterporträts entspricht diesen Empfehlungen. In eher amateurhaften Aufnahmen oder auch im Foto der „Familie…. Dr. Schulz“ scheint die Atelierkulisse zu klein, um allen Anforderungen der Ratgeber gerecht zu werden, denn ein Teil der Staffage ist zu sehen und „senkrechte Hintergrundlinien sollen nie mitten auf dem Kopfe der Person stehen (…)“[3].
Fußnoten:
- [1] Miethe, Dr. Adolf. 1896. Lehrbuch der praktischen Photographie. Halle A.S.: Verlag
von Wilhelm Knapp, 405f. - [2] Vogel, Prof. Dr. H.W. Vogel. 1878. Lehrbuch der Photographie. Berlin: Verlag von
Robert Oppenheim, 511. - [3] Vogel, Prof. Dr. H.W. Vogel. 1878. Lehrbuch der Photographie. Berlin: Verlag von
Robert Oppenheim, 517.