Oscar Wilde No. 18 – Ein Foto und seine Geschichte

In edlem Aufzug, mit Pelzmantel, samtenen Jackett, knielangen Hosen, Seidenstrümpfen und Lackschuhen bekleidet – die rechte Hand hält stützend den Kopf, die andere ein Buch – sitzt der junge Oscar Wilde (1854-1900) in einer zeittypischen Atelierkulisse und blickt in die Kamera. Wilde, als Schriftsteller durch seine ersten Veröffentlichungen, vor allem aber für seinen extravaganten Kleidungsstil als Ästhet und Dandy bekannt, war nach Nordamerika gereist, um dort Vorlesungen über Ästhetizismus und dekorative Künste zu halten.
Aufgenommen wurde das Foto 1882 im New Yorker Atelier von Napoleon Sarony (1821-1896) . Es ist das achtzehnte aus einer Reihe von insgesamt siebenundzwanzig Porträts Wildes. Sarony, der sich auf Fotos berühmter Persönlichkeiten spezialisiert hatte, bezahlte die Porträtierten, um sie ablichten und entstandene Fotografien zum Kauf anbieten zu dürfen.

Oscar Wilde (1854-1900). Napoleon Sarony, New York, 1882.
©akg-images

Auch das New Yorker Warenkaufhaus ›Ehrich Bros.‹ versuchte von der Bekanntheit Wildes zu profitieren,
fertigte rund 85.000 Kopien des vorliegenden Fotos an und warb mit Wildes Bildnis für die neusten Kreationen der hauseigenen Hutabteilung. Sarony verklagte Unternehmen und Druckerei auf Verstoß gegen das Urheberrecht sowie, die unerlaubte Anfertigung von Kopien seines Fotos. Nach einem Schuldspruch in erster Instanz, legten die Angeklagten ›Ehrich Bros. / Burrow-Giles Lithographic Co.‹ Berufung ein und der Fall ›Burrow-Giles Lithographic Co. v. Sarony‹ ging 1884 bis an den Obersten Gerichtshof der USA. Im Zentrum des Prozesses stand die Frage, ob Fotografien unter die Bestimmungen des Urheberrechts fallen.
Nach geltendem Recht, so die Angeklagten, fielen nur „authors’ writings“ unter den Urheberschutz und eine Fotografie sei weder ein Schriftstück noch gäbe es hier einen Autor. Bei Fotografien handele es sich vielmehr um von einer Maschine hergestellte Reproduktionen der Natur. Doch diese Definition scheint zu einfach und so wird mit dem Urteilsspruch am 17.03.1884 das Foto als “original work of art, the product of plaintiff’s intellectual invention, of which plaintiff is the author, and of a class of inventions for which the Constitution intended that Congress should secure to him the exclusive right to use, publish and sell….”[1] definiert und in den USA der Urheberrechtsschutz auch auf die Fotografie ausweitetet.

Fußnoten:
  • [1] https://supreme.justia.com/cases/federal/us/111/53/ Page 111 U. S. 60, aufgerufen am 02.12.2020.