Der Reiz des Fremden – Reisen im 19. Jahrhundert

Fotoalbum “SOUVENIR / Mlle G.BOLLÉ / Par Mr et Mme D. N. Camvaco / 1. Janvier 1886”.
Ansichten aus Konstantinopel. ©akg-images
Aufgeschlagene Doppelseite: “Groupe de Circassiens” (Basile Kargopoulo), “Circassien” und Frau mit Schleier. ©akg-images

Die seit dem 16. Jahrhundert vom Adel (später auch vom wohlhabenden Bürgertum) unternommene Bildungsreise, die sogenannte „Grand Tour“, gilt lange als obligatorischer Abschluss einer guten Erziehung. Auf der zwei- bis drei-jährigen Reise sollen Kenntnisse über fremde Kulturen erlangt, Fremdsprachen erlernt, nützliche Verbindungen geknüpft und auch nach einer Heiratsmöglichkeit Ausschau gehalten werden. Eine typische „Grand Tour“ führt den Reisenden von England über Frankreich nach Italien und dann zurück in die Heimat durch die Schweiz, Deutschland und die Niederlande.

Albumeinband “Ricordo di Venezia”. Fotoalbum mit handkolorierte Fotografien aus Venedig.
Antonio Genova, um 1890. ©akg-images
Venedig. Blick von Süden über das Bacino di San Marco. Gondel im Vordergrund. Fotografie handkoloriert.
Antonio Genova, um 1890. ©akg-images

Mit dem gesellschaftlichen Strukturwandel infolge der Industrialisierung verliert das Reisen seine bisherige Exklusivität. Reisen ist nun auch bürgerlichen Kreisen möglich. Mitte des 19. Jahrhunderts gewinnt es immer mehr an Bedeutung. Eisenbahnen, Dampfschiffe und andere neue Fortbewegungsmittel machen ein günstigeres, komfortableres und vor allem ein schnelleres Reisen möglich. Ziele, die bis dahin noch eine Anreise von mehreren Tagen erforderten, sind nun innerhalb weniger Stunden zu erreichen. Reiseziele werden bald ausgefallener und man unternimmt vermehrt Luxusreisen mit viel Gepäck in eine unbekannte Ferne. Nun reist man allein um des Reisens selbst willen. Entscheidend befördert wird das Reisen durch das Aufkommen von Reisebüros und Reiseunternehmen wie Thomas Cook, die die ersten Pauschalreisen anbieten. Der moderne Tourismus beginnt [1].

Aussenansicht der Arena in Verona.
Amateuraufnahme 1903 (Fotograf unbekannt). ©akg-images
Junge Frau in der Arena in Verona.
Amateuraufnahme 1903 (Fotograf unbekannt).
©akg-images
Taubenfüttern. Markusplatz in Venedig. Amateuraufnahme 1903 (Fotograf unbekannt). ©akg-images
Blick auf die Markuskirche in Venedig.
Amateuraufnahme 1903 (Fotograf unbekannt).
©akg-images

Die Sehnsucht nach Bildern und das Bedürfnis Erlebtes zu dokumentieren wird zunächst vor allem durch den Erwerb professioneller Aufnahmen gestillt. So konnte man in vielen Orten meist schon fertige Alben als Andenken erwerben oder sich zu Hause mit gekauften Bildern ein eigenes Album zusammenstellen. Vor allem die Ende der 1880er Jahre auf den Markt kommenden Kodak-Kameras ermöglichen es in den folgenden Jahren reisenden Fotografieliebhabern auch eigene Aufnahmen zu machen und diese in individuell gestalteten Fotoalben zu präsentieren.

Fußnoten:
  • [1] Der englische Begriff “Tourist” taucht im deutschen Sprachraum erstmals in den 1830er Jahren auf. Darunter verstand man einen vornehmen Reisenden, der zum persönlichen Vergnügen und ohne festes Ziel unterwegs war.