Notentitelblätter (1889 – 1935)
Die Unterhaltungskultur der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts versprach in erster Linie Ablenkung vom traumatischen Kriegs- und Revolutionsalltag. Man wollte für einen kurzen Moment bei einem Besuch der Operetten-, Revuetheater, der Kinos, der Tanzcafés oder Kaffeehäuser den grauen Alltag vergessen.
Ein Großteil musikalischer Kompositionen wurde neben dem gerade erst erfundenen Radio über die zahlreichen Tanzveranstaltungen und das eigene Musizieren (Hausmusik) populär. Der wachsende Bedarf [1] an Notenausgaben der Unterhaltungsmusik machte einen nicht unwesentlichen Teil des damaligen Musikgeschäftes [2] aus. Einzelblätter wie Notensammlungen waren oft mit einem eigens grafisch gestalteten Titelblatt versehen. Als werbewirksam erwiesen sich Starportäts ebenso wie attraktiv gestaltete Visualisierungen der Musik, die nicht selten direkter Spiegel gesellschaftlicher und politischer Umbrüche waren. So werden etwa Themen wie Sehnsucht nach Frieden und Zweisamkeit, Emanzipation, Erotik und auch das Tanzvergnügen selbst aufgegriffen
Die von Evelyn Förster zusammengetragene umfangreiche Sammlung an historischen Notentitelblättern aus den Jahren 1889 bis 1935 umfasst auch Exemplare von damals prominenten Gestaltern wie Otto Dely, Willy Herzig, Hans Neumann, Paul Telemann, Wolfgang Ortmann, Victor Arnaud und Gabor von Ferenchich. Heute sind die meisten Urheber der Grafiken kaum mehr bekannt oder schwer auszumachen. Die Blätter der Sammlung Förster sind nun über die Datenbank von akg-images abrufbar.
Seit Mitte der 1930er Jahre werden zunehmend nur noch einheitliche Notentitelblätter gedruckt. Lediglich der Titel des Musikstückes wird ausgetauscht. Erst mit dem Aufkommen von Schallplatten-Covern und CD Hüllen spielen werbewirksame Visualisierungen in der Musikbranche wieder eine Rolle.
Fußnoten:
- [1] Nach dem ersten Weltkrieg steigt die Auflagenhöhe deutlich an.
- [2] Einer der bekanntesten Librettisten und Schlagertexter der Zeit ist der österreicher Fritz Löhner-Beda (Beda). Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Löhner-Beda verhaftet und in das KZ Dachau deportiert. 1942 starb er in Auschwitz.